Mit freundlicher Genehmigung Herrn Dr.
Drewermanns dürfen wir hier einige Privataufnahmen seiner Vorträge zu
Studienzwecken bzw. als Verweisquellen im Zusammenhang mit eigenen/eigenständigen Werken zugänglich machen. Die Liste seiner Vorträge wäre hier einzusehen. - Vergleiche auch hier.
Herr Drewermann hält seine Vorträge stets aus dem Stegreif ohne jedes Manuskript. Folgenden Mitschnitte per Diktiergerät können Sie hier - zum privaten Studium - direkt anhören oder herunterladen:
Stichpunkte aus dem Vortrag:
‚Weihnachten‘ - verbraucht den Menschen als Produzenten und Konsumenten. - Außerhalb der Religionen wären wir nichts anderes, als ein verwertbarerer Gegenstand des Marktes, des wirtschaftsorientierten Kapitalismus und der organisierten Ausbeutung in großer Form. - Daher muss es Religionen geben - um unserer selbst willen! - Wir haben zu entdecken: Als Menschen sind wir viel mehr als Konsumenten oder Objekte: Wir sind Geschenke des Himmels, ein jeder jedem. - Unser Dasein selbst ist Geschenk, denn wir leben unverdientermaßen, sozusagen umsonst, ohne dass wir im Wesentlichen dazu beigetragen hätten. - Erziehung muss also darin bestehen, ein Kind darin zu versichern, dass es bedingungslos geliebt wird - in allem! - Gerechtigkeit als unbedingter Wert in der Erkenntniswelt setzt unseren Glauben an sie voraus: Nur wenn wir Gerechtigkeit inhaltlich als real setzen, wenn wir unsere Erwartung an sie ins Unendliche übertragen, das heißt an die Unsterblichkeit der Seele, an die Freiheit des Willens und an ein allerhöchstes Gut, nur dann werden wir Gerechtigkeit auch verwirklichen. - Wenn sich dieses Axiom objektiv nicht beweisen lässt, subjektiv ist es unerlässlich - um Mensch zu sein! - Der Mensch ist kein Anwendungsfall des Ethisch-Allgemeinen, er ist unendlich viel mehr. - Haben wir den Verbrecher je gefragt, was in ihm vorging, was ihn zur Tat zwang? - Je schwerer die Verbrechen, desto sicherer geschahen sie nicht in Freiheit. - Das ist der ganze Kern der Lehre, die Christus in die Welt bringen wollte: Antwortet auf das Böse nicht mit Bösem; werdet dem Menschen gerecht in seiner Not - das ist die eigentliche menschliche Leistung der Begegnung! - Deswegen gilt es, das Böse zu begreifen - in seiner Not: Die da draußen sind nicht freiwillig ‚da draußen‘; sie sind weggetreten worden, vielleicht schon als Kinder. Die Verlorenen haben sich verloren. Ein ständig kasernierter Wille gebiert verängstigte Seelen, in deren Hintergrund eine unendliche Triebwelt verschlossen bleibt, lauernd auf die Fuge, durch die sie hindurchbrechen kann zur Wirklichkeit. Sie fliehen vor sich selber in immer neue Anpassungsversuche - immer scheiternd. Menschen, die in Angst sind, können nicht gut sein bzw. sind nicht reif für das Gute. Daher kann ein Mensch ohne eine absolute Zuwendung nicht wirklich Mensch sein. Der Ursprung aber dieser absoluten Zuneigung kann nicht die Natur sein: Die Physik mag gewisse Kausalzusammenhänge klären - warum es uns aber als Person gibt, diese Frage kann kein Naturgesetz beschreiben oder beantworten! - Wie aber könnten wir leben ohne einen bejahenden Hintergrund! - (Sarkasmus:) Da wir aber nicht berechtigt sind, zu leben und nie genügend dafür leisten, müssen wir uns ‚nützlich machen‘ - und werden zu entfremdeter Arbeit gezwungen. - Wir benötigen Gott, um als Menschen zu leben. - Das Evangelium gründet sich auf den Asklepiosmythos: Asklepios ist das Kind des Gottes des Lichtes und der Nymphe der Dunkelheit und der Helligkeit des Mondes; er ist damit das Symbol der Paarung von Tag und Nacht. - Aller Segen Gottes ruht auf dem Nicht-Fertigen, dem Beginnenden, dem Unmittelbaren, im Herzen noch Nicht-Abgespaltenen. - Alle Bildinterpretationen in der Bibel als ‚objektive Tatsache‘ sind illusorisch: Im Dogma der Kirche interpretiert wird daraus Unverstand! Die Bildersprache des frühen Christentums ist Symbol, Mythos und Metapher. - Lediglich als Objekte wären wir nichts als die Summe von Kausalprozessen. Wir sind geworden durch Kausalprozesse, aber was wir sind in Wahrheit, das muss sich entscheiden in dem unmittelbaren Dialog zwischen Ihnen und dem Himmel. Das steht in dem Bild vom Sohn Gottes und wird zum existenziellen Vor-Bild eines jeden, der danach versucht sich zu halten. - Dagegen aber wütet die Gewalt der Macht: Sie fordert Angst und Gehorsam - die Deformation des Humanen - so sehr, dass man dagegen nur entsetzt protestieren kann! - ‚Befehl ist Befehl‘: Was für eine unmenschliche Ausrede! - Wer revolutionär lebt, lebt gefährlich. - Es heißt, wenn der Messias kommt, wird ER einseitig abrüsten. - Das System zu ändern, das wäre der Sinn. - Groß sind nicht die Könige und die mit militärischen Mitteln ihre Macht erzwingen, groß sind die, die von unten her denen weiterhelfen, die nicht weiterwissen und ihnen Wege ins Dasein schenken, Wege zur Rückkehr schaffen. - Alle Bilder sind nötig und wichtig sich vollständig gegenseitig zu ergänzen. Wir könnten noch genauer sagen: Die Mythen denken in ihren Bildern aspekthaft. Ein Bild widerspricht niemals dem anderen - sie komprimieren sich beide. Alle Bilder sind kostbar, wir können nur in Bildern denken und wahrnehmen. - Die große Lehre aus allem besteht in der Güte des Mitleids: Wie gehst du mit anderen Menschen um. - Die Person und ihr Symbol muss eine Einheit im Leben bilden. Das Wesentliche geschieht von Person zu Person. - Jesus sagte: Kein Mensch sündigt freiwillig! - Doch dieses Reformangebot der Religionen verweigern wir seit 1.300 Jahren. - Das Leben vollzieht sich in der Perspektive der Unendlichkeit. Durchhalten können wir nur an der Seite Jesu, im Wissen und im Glauben, dass das Urteil über mich einzig bei Gott steht, dass nur ER mein Leben vollständig bewerten und versöhnen kann. - Einzig davon und dadurch kann der Mensch leben: von der Liebe. ...
Es stehen vier Audiodateien zur Verfügung: 1+2 = der Vortrag; 3+4 = die anschließende Frage- und Antwortstunde. Gesamtzeit: 168 Minuten = 2,48 Stunden.
Fragestunde (Teil 1) download
In dem gleichnamigen 2015 im Patmos-Verlag erschienenen Buch gibt Eugen Drewermann einen tiefenpsychologischen Einblick in das Leben des tschechischen Reformpredigers Jan Hus, des bedeutendsten Vorläufer Martin Luthers. - Am 06.07.1415 wird er bei lebendigem Leibe verbrannt. Man warf ihm vor, in der Abendmahlslehre nicht korrekt formuliert zu haben. Vor allem aber nahm man ihm übel, dass er nicht an Papst und Kirche glaubte, sondern an Jesus Christus. Das persönliche Gewissen galt ihm mehr als das Diktat der Kirche. In seiner Person bündelten sich alle Fragen der Theologie - aber auch der Kulturgeschichte des Abendlandes -, die bis heute ohne gültige Antwort geblieben sind. Eugen Drewermann zeigt in seinem Vortrag, wie wir mit dem Denken des großen Reformators, das bei uns weitestgehend unbekannt ist, Antworten auf drängende Fragen der Gegenwart finden können.
Stichpunkte aus dem Vortrag:Jan Hus - nach neuesten Forschungen geboren am 01. Juli 1372. - Einer der Wesentlichen Menschen, überragend in der Bedeutung. - In der Zeit als die Kommunisten in der Tschechei regierten war er der Vorläufer von Karl Marx, ganz sicher der Vorläufer von Thomas Müntzer, der 1520 in ‚seiner Kirche‘, der Bethlehem-Kirche, gepredigt hat. - Was hat Jan Hus gelehrt? - Er ergriff Partei gegen die Armut, gegen den Feudalismus, er orientierte sich an Christus: Aber er verkündete Gott nicht als Götze eines bestimmten Volks oder einer säkularen Kultur, was Hegel die Zusammenfassung eines Volksgeistes genannt hätte. - Jan Hus wird 1400 zum Priester geweiht, 1411 wird er exkommuniziert. - Die Dimension des Jan Hus ist einzig zu begreifen nach dem Vorbild dessen, was er wollte: Prediger Gottes sein - Prophet sein - seine eigene Person zum göttlichen Sprachrohr zu machen. Das Gotteswort sollte den Menschen gehören. - Wollen wir die Tragödie, die Größe, die Berufung, die geistige Beanspruchung des Jan Hus verstehen, so müssen wir uns nur die Geschichte des Propheten Ezechiel in Erinnerung zu rufen: Er war Priester am Tempel von Jerusalem - und als Nebukadnezar die Heilige Stadt niedermacht, da muss er in die Diaspora ziehen, ins Exil fliehen. Und er träumt von einem Neubeginn Gottes in Seiner Heiligen Stadt. - Das ist die Vision Ezechiels in der Fremde - und es ist auch der Traum Jan Hus’: Eine Städte Gottes müsste sein, wo der Himmel der Erde nah ist, wo die Menschen so leben dürften, wie sie gemeint sind, wo sich die Wahrheit nicht korrumpiert durch die Gier nach Macht, Geld oder Karriere. - So wird zum Auftrag des Jan Hus: im Namen Gottes für die Menschen zu sprechen, gegen die blutsaugerischen Vertreter einer Kirche, die nur so tun als ginge es ihnen um Gott! - Ezechiel: „Ich bin der gute Hirte“ der Herde Gottes - „meine Stimme hört ein jedes Schaf der Erde, denn ich ruf’s bei seinem Namen“, sagt Jesus. - Wenn das wäre, gäb’s nur eine einzige Sprache zwischen Himmel und Erde: wenn ein Einzelner sich angesprochen fühlt in der Bedeutung seiner Individualität, seiner Personalität, sodass es ihn aufrichtet und ihm Mut schenkt, zu wachsen, zu sich selbst, identisch mit sich zu werden, Kraft des Vertrauens zu Gott. Heilend wie im neuen Testament müsste die Rede von Gott sein, dann wäre sie prophetisch - und dem ‚guten Hirten‘ ähnlich, dann wäre sie - jesuanisch - würdig ... - 1450 wird Gutenberg die Buchdruckerkunst erfinden, bis dahin liegt die Bibel nur in Mönchshandschriften vor; Jan Hus beginnt (nicht als Erster), sie ins Tschechische zu übersetzen. - 1176, das Jahr einer Art Wende: Petrus Valdes begründet als religiöser Laie in Lyon eine Armutsbewegung, eine Glaubensgemeinschaft, die sich als erste mittelalterliche Ketzerbewegung bis nach Böhmen und Italien ausbreiten wird: „Nur Friede vereinbart sich mit der Botschaft Gottes“ - „Gib alles was du hast den Armen“ - so lebt Petrus Valdes. - Doch die Kirche befiehlt die ‚Ordensgründung‘ - und deformiert und neutralisiert damit die reine Intention der Christuswirklichkeit dieser Bewegung, die eine Lebensform suchte, die ohne Fremdsicherung sich selber riskiert. - Jan Hus wird später sprechen von den „verlogenen Bettelorden“ - die mit dem Segen der Kirche hochprofitabel Heuchelei treiben ... Die Wahrheit aber, die Jesus Christus verkündet, ist eine ganz andere - wenn überhaupt vernimmt sie sich in der Sprache eines Kindes - mit Worten, die nicht eingeübt sind, nicht dem Ritualdienst der Formeln folgen, sondern aus dem ungetrübten Vertrauen in die uneingeschränkte Liebe Gottes fließen. In diesem Sinne ist das Christentum keine Lehre, sondern eine Existenzmitteilung. ... Wir begreifen: dass alles, was sein müsste, anders zu sein hätte - um verlockend zu werden! Um wenigstens die Vermutung zurückzuerhalten, es könnte mit unserem Leben etwas Heiliges auf sich haben. ... Und die Kernfrage, die sich daraus ergibt, ist uralt: Wie kann ein Sakrament gespendet werden, das die Gabe einer Liebe vermittelt, die authentisch ist. Diese jesuforme Beziehung aber kann nur eine Person herstellen, die die ‚Existenzmitteilung des Christentums‘ frei aller ideologischen oder klerikalen Dogmen repräsentiert, die sie verinnerlicht hat, mit ihr in Identität lebt. Daher der Kernfehler: Man spaltet eine Lehre von der Existenz ab, dann das Amt von der Person - und von da an kann es nur noch in den Irrtum gehen! ... Jan Hus: „Wir glauben nicht an den Papst, wir glauben an Christus.“ - Jan Hus ist Symbol und Maßstab einer Kirche, die auf dem Konzil zu Konstanz tagte und noch heute in Kontinuität sich darauf beruft: 5. Juli 1515, man legt Jan Hus die Chance vor, abzuschwören, zu widerrufen, unter Eid zu verleugnen, was dasteht. Jan Hus lehnt ab: Man erreicht Jesus in der Existenz nicht, indem man eine ungläubige Wahrheit propagiert, nur weil sie zur ‚Wahrheit‘ erhoben wurde! Jan Hus - als Problem - bedroht die Amtsvollmacht des katholischen Priesters: DAS steht in Wahrheit mit ihm auf dem Spiel und deshalb wird man verurteilen - Jan Hus. Das Konstanzer Konzil - ein Tollhaus - ist so weit weg von Jesus Christus: „Das ist die Hure Babylons selber“, sagt Jan Hus. Und er spürt immer deutlicher, dass das, was in Konstanz mit ihm geschieht, ob er will oder nicht, ihn hineindrängt in die Nähe Jesu. Nach diesem Beispiel wollte er leben! Und er beruft sich unmittelbar auf Christus - ein Übermaß der Frechheit, sein eigenes Gewissen gegen die Institution zu setzen! Aber er kann nicht anders: Er vergleicht seine Lage mit der Christus’ am Ölberg, an diese Evidenz klammert sich Jan Hus und macht sich damit - im machtbesessenen verlogenen Sinn der Kardinäle - zu Christus selbst: Man wird ihn müssen hinrichten! - Das geschieht am 06. Juli 1515. - ‚Ein Ketzer muss seine Schuld auf sich nehmen.‘ Man setzt ihm die Ketzermütze auf, Jan Hus wird sagen: ‚Ich folge Jesus Christus.‘ Noch auf dem Scheiterhaufen, als man das Brandmaterial bis zum Kopf aufschichtet, legt man ihm vor, alles widerrufen zu können. Er tut es nicht - in der Gewissheit bei Gott zu sein: „Ich übergebe meine Seele Jesus Christus.“ ...
Es stehen drei Audiodateien zur Verfügung: 1+2+3 = Vortrag und Fragestunde; Gesamtzeit: 121 Minuten = 2,01 Stunden.
Den Sisyphos und andere rebellische Heldinnen und Helden der griechischen Sagen bestrafen die Götter grausam in der Unterwelt. Diese Sagen des klassischen Altertums mit ihren rachsüchtigen Göttern prägen die Vorstellungen vieler Menschen bis heute. Das veranschaulicht Eugen Drewermann in seiner einmaligen Art und Weise anhand von vielfältigen Beispielen aus Literatur und Malerei. Dagegen vermittelt das Christentum ein heilsames Gegenbild. Denn der Gott Jesu ist wie ein barmherziger Vater. Er verlockt zur Freiheit, und mit tiefenpsychologischen Mitteln zeigt Eugen Drewermann, wie sich durch Freiheit und Vertrauen in diesen barmherzigen Gott die Angst im Menschen überwinden lässt.
Stichpunkte aus dem Vortrag:
Das
Paradox besteht: dass wir des antiken Hellas bedürfen um Anschluss zu finden an
uns selber ... Die sich so sicher geben, hier im deutschen Reichstag, brauchen
die Griechen, der Zweifel wegen, die sie sähen, mit einem Weltbild, das so
kompakt nicht sein kann und nicht sein darf - weil es weiß, was Tragik ist und Verzweiflung,
und welch eine Pflicht es bedeutet, Widerstand zu leisten, weil man ein Mensch
ist. Die Person, in welcher sich dieses Prinzip verkörpert, trägt den Namen
Prometheus: der ‚Vorherdenkende‘. Freilich besitzt er auch einen Bruder, dessen
Name lautet ‚Nachgedanke‘: Epimetheus. Und die Frage an jeden von uns lautet: Wenn
wir wissen können, bei einiger Überlegung, welch eine Zukunft aus unserem
eigenen Handeln und Verhalten folgt, sollte es dann wirklich immer wieder so
sein, dass wir Bedauernswerte im hinterdrein begreifen, was wir hätten tun
sollen - immer wenn’s allzu spät ist, um aus Fehlern klug zu werden, aber
Weisheit, wenn sie nötig wäre, zu verweigern? Es ist nicht einfach, sich in
dieser Welt zurechtzufinden. Die menschlichen Gefühle, die dichtesten
Empfindungen auch nur der Liebe zwischen zwei Menschen können viel in die Irre
gehen, Götter können Besitz ergreifen von unserer Seele mit einer Macht, so
stark, dass unsere Vernunft wie ohnmächtig darübersteht. Es mag sein, dass die
ordnenden Institutionen - Kirche, Justiz - zur Vereinfachung sich ein Weltbild
malen, das mit der Wirklichkeit kaum übereinstimmt. Allein die Schichtungen zwischen
Arm und Reich erreichen den Tatbestand des fast verbrecherischen. Und wer sind
dann wir als Menschen, inmitten einer Natur, die nach eigenen Gesetzen wie
grausam mit uns spielt, über uns hinweggeht, ja womöglich ein ganz anderes
verheißt? Hugo von Hofmannsthal, Librettist einer ganzen Reihe von Opern, dem
Erbe griechischer Mythenüberlieferungen für Richard Strauss, hat einmal in
einem Gedicht zusammenzufassen versucht, was er vor sich sieht, mit dem Blick
auf unser menschliches Dasein [hier in Gänze: „Sünde des Lebens“]: „Ich sah die Woge der Sünden branden,/ Die wir
ahnungslos begehen,/ Weil wir andere nicht verstanden,/ Weil uns andere nicht
verstehen ...“ - Man möchte denken: Wenn doch der eine den anderen in seiner
Liebe in sein Herz schließt müsste es sicher sein und fest. Aber bei
Hofmannsthal heißt es: „Gatte der jungen Frau,/ Hast du es auch bedacht,/ Als
um dich liebelau/ Rauschte die erste Nacht,/ Als du sie glühend an dich
drücktest,/ Daß du vielleicht ihre Seele ersticktest?/ Daß vielleicht, was in
ihr schlief,/ Nach einem Andern angstvoll rief,/ Um dens ihr unbezwinglich
bangte,/ Nach dem ihr ganzes Sein verlangte?/ Daß dein Umfangen vielleicht ein
Zerbrechen,/ Daß dein Recht vielleicht ein Verbrechen?// Nimm dich in acht!/ Seltsame
Kreise/ Spinnen sich leise/ Aus klagenden Augen/ Und sie saugen/ An deinem
Glück!/ Einen Andern/ Hätten die Kreise/ Golden umgeben,/ Kraft ihm entzündend,/
Liebe verkündend;/ Dich aber quälen sie,/ Schweigend erzählen sie/ Dir von
Entbehrung,/ Die du verschuldet hast,/ Dir von Entehrung, / Die du geduldet
hast,/ Und von Wünschen, unerfüllbar,/ Und von Sehnsucht, die unstillbar/ Ihr
betrognes Herz durchbebt,/ Wie die Ahnung des Verlornen,/ Die um blasse
Kinderwangen/ Und um frühverwelkte Blumen/ Traurig und verklärend webt.// Reicher
im goldnen Haus,/ Fühlst du kein Schauern?/ Dringt nicht ein Stimmgebraus/ Dumpf
durch die Mauern?/ Die da draußen frierend lungern,/ Dich zu berauschen, müssen
sie hungern,/ Ihre gierigen Blicke suchen dich,/ Ihre blassen Lippen verfluchen
dich,/ Und ihr Hirn mit dumpfem, dröhnendem Schlag,/ Das schmiedet, das
schmiedet den kommenden Tag.// Priester, du willst die Seele erkennen,/ Willst
Gesundes vom Kranken trennen,/ Irrt dein Sinn oder lügt dein Mund?/ Was ist
krank?! Was ist gesund?!// Richter, eh du den Stab gebrochen,/ Hat keine Stimme
in dir gesprochen:/ Ist das Gute denn nicht schlecht?/ Ist das Unrecht denn
nicht Recht?// Mensch, eh du einen Glauben verwarfst,/ Weißt du denn auch, ob
du es darfst?/ Wärest du tief genug nur gedrungen,/ Wär dir derselbe Quell
nicht entsprungen?// Keiner ahnet, was er verbricht,/ Keiner die Schuld und
keiner die Pflicht./ Darfst du leben, wenn jeder Schritt/ Tausend fremde Leben
zertritt,/ Wenn du nicht denken kannst, nichts erspüren,/ Ohne zu lügen, zu
verführen!/ Wenn dein bloßes Träumen Macht ist,/ Wenn dein bloßes Leben
Schlacht ist,/ Dunkles Verderben dein dunkles Streben,/ Dir selbst verborgen,
so Nehmen wie Geben!// Darfst du sagen >Ich sehe<?/ Dich rühmen >Ich
verstehe<?/ Dem Irrtum wehren,/ Rätsel klären,/ Du selber Rätsel,/ Dir
selber Rätsel,/ Ewig ungelöst?!// Mensch!/ Verlornes Licht im Raum,/ Traum in
einem tollen Traum,/ Losgerissen und doch gekettet,/ Vielleicht verdammt,
vielleicht gerettet,/ Vielleicht des Weltenwillens Ziel,/ Vielleicht der
Weltenlaune Spiel,/ Vielleicht unvergänglich, vielleicht ein Spott,/ Vielleicht
ein Tier, vielleicht ein Gott.“
Was Hofmannsthal beschreibt, hat dieses
griechisch erahnte Format: losgerissen
und gefesselt. In keiner Gestalt der antiken Tragödie taucht dieses Bild
als Wesensporträt unseres Menschseins so kompakt und dicht auf, wie in der
Gestalt des Prometheus: Sinn suchend, Sinn gebend, provozierend, standhaft,
vorbildhaft und verpflichtend. Um ihn zu begreifen, brauchen wir die Kunde von
zwei Quellen, die uns zugänglich sind: Um 700 v. Chr. legt uns der Dichter
Hesiod der 1., ein Bauerndichter, ein Zeitgenosse des Homer, der an den Höfen
die Gesänge von Troja und der Odyssee vorträgt, eine systematische Form der
Überlieferungen des antiken Götterglaubens vor. Keine reflektierende Theologie
aber in Versmaß, in der Bindung wuchtiger Bilder von einer enormen Intensität. Darinnen
auch kommt vor die Geburt der Titanen, zu denen Prometheus gehört - diese
Giganten, die auf ihre Art die Natur zu interpretieren versuchen ... Je tiefer
wir schauen, desto unergründlicher und unheimlicher öffnet sich das Rätselwesen
des Daseins. ... Alles, was wir die Welt nennen, basiert auf solchen Gegensätzen,
ungeheuren Kämpfen zwischen Widersprüchen, die nur mühsam, wenn überhaupt, je
zu bändigen sind ... Und nichts wäre geworden, hätte nicht zugleich der Gott
Eros sein Werk zu vervollkommnen begonnen: In Liebe verpaarten sich Himmel und
Erde - und so erzeugten sie die Titanen ... Die ganze Welt gebiert die Liebe -
aber unter welchen Opfern, welchen Schmerzen! ... Wie wichtig wäre es, dass wir
die Mythen interpretieren so, dass sie Sinngehalte erschließen zum menschlichen
Leben, statt nach außen projiziert die Ideologie von Herrschaft zu begründen!
... Wir müssen die griechischen Mythen so begreifen, dass sie unsere Seele deuten,
dass das Terrain, auf dem sie spielen, unser eigenes Dasein ist, aber nicht,
dass wir sie nach außen verlagern, um dann vom Himmel die Rechtfertigung
unserer unveränderten Grausamkeiten herabzurufen! ... Wir bräuchten zu Hesiod
noch den 2. Kommentar, um ihm [des Prometheus und seiner mythischen Deutung] gerecht
zu werden: Das ist im 5. vorchristlichen Jahrhundert der Tragödiendichter
Aischylos; drei Stücke hat er zum Stoff des Prometheus geschrieben, nur der mittlere
Teil ist uns bezeichnenderweise erhalten geblieben: „Der gefesselte Prometheus“
...
Vom ewigen Krieg zum ewigen Frieden - Kapital und Christentum Teil 3.
Auszug aus der Vorankündigung der Urania:
Warum Krieg? Und wie ihn überwinden? Der ständige Einsatz von Gewalt gegen Natur und Mensch kann nicht zum Frieden führen. Wie aber ist es möglich, die Staaten abzurüsten, die Militärbündnisse aufzulösen und die Entscheidung über lokal nicht lösbare Konflikte an eine überparteiliche Schiedsinstanz zu delegieren? Jeder kennt die Worte des Weihnachtsevangeliums: Herrlichkeit ist Gott in den Himmeln, wenn Frieden ist auf Erden bei Menschen, die Gnade glauben können. Jeder im sogenannten christlichen Abendland kennt diese Worte. Und doch kommt dann eine Woche später zum Neujahrstag aus dem Mund der Regierenden die Botschaft, daß alles beim Alten bleiben muß: Wir werden weiter aufrüsten, wir werden ‚die internationalen Einsätze‘ ausweiten, wir können uns den Frieden leider noch nicht leisten. Aber Jesus wußte, daß wir der Barbarei niemals entkommen werden, solange wir den Programmen der Angstüberwindung durch Gewalt folgen. Deshalb lehrte er: Nur die Wehrlosen werden die Welt befrieden. Und er zeigte Wege, wie man Vertrauen bildet durch einseitige Abrüstung. Und bereits vor 200 Jahren forderte Immanuel Kant in den ‚Gedanken zum ewigen Frieden‘ die Auflösung der nationalen Armeen. Einzig der Friede ist für die Zukunft die Option, die Mahatma Gandhi so formulierte: „Der Friede ist kein Ziel, sondern ein Weg, und wer nicht mit ihm anfängt, wird niemals bei ihm ankommen.“
Es stehen zwei Audiodateien zur Verfügung, Vortrag und Fragestunde:Auszug aus der Vorankündigung der Urania:
Der Teufel scheint gerade sein Comeback zu feiern: Ein Drittel der in Deutschland lebenden Menschen glaubt laut einer Umfrage an den leibhaftigen Teufel als Verkörperung des Bösen. Doch was ist der Ursprung der Teufelsgestalt? Und wie begegnen wir diesen Ängsten? Scharfsinnig und kenntnisreich zeichnet Eugen Drewermann die Geschichte und Ursprünge der Gestalt des Teufels nach: Seine Analyse führt ihn von der persischen Mythologie über das Alte Testament, den Koran, die Hexenverfolgungen bis hin zu Shakespeares Macbeth und dem 11. September und er ist überzeugt: Wenn wir die Erlösungsbotschaft ernst nehmen, brauchen wir keine Höllendrohung und keinen Teufel mehr.