Anmerkungen zu diesem Bericht:
Der Anfang war nicht nur "erfolgreicher", sondern ein
durchaus voller Erfolg (Blutdruck 135/85), weil zu der Zeit die
empfohlenen Maßnahmen zu 80 % eingehalten wurden und die
Normalisierung durch die empfohlenen kleinen Blutentnahmen
unterstützt wurde (maximal 80 bis 100 ml, 1 x pro Woche, maximal 10
Wochen lang, dann Pause von 12 Wochen, Wiederholung nur wenn das
Haematokrit - der Gehalt des Blutes an Blutzellen - mehr als 41
Volumenprozent beträgt).
Und dann geschah das: "Wenn's der Kuh zu wohl wird, geht sie
aufs Eis!" Der Patient, beflügelt vom Erfolg, wurde ein wenig
nachlässiger und befolgte die empfohlenen Maßnahmen nur noch zu 70
%. Die Folgen: Der Blutdruck stieg auf 145/95 an, die
Leistungsfähigkeit und Stresstoleranz (das positive Denken) ließen
wieder nach - deshalb macht der Patient jetzt irrtümlich den Stress
als seinen größten Feind aus (sein größter Feind ist zu diesem
Zeitpunkt in Wirklichkeit er selber).
Positiv ist die Erkenntnis des Patienten, dass er wieder
konsequenter sein muss: "Selbsterkenntnis ist der erste Schritt
zur Besserung." Aber er relativiert es auch schon wieder:
"Ich will jetzt noch mal einen Zeitraum lang konsequenter
sein ..." Da zeichnet sich das selbst vorprogrammierte
Oszillieren zwischen zwei Zielen ("Zielkonflikt") ab:
Ziel 1: Der Patient will einen normalen Blutdruck haben und nicht
in die Risikozone fataler plötzlicher Herz-Kreislauf-Ereignisse
geraten. So bald aber dieses Ziel erreicht ist, wird er nachlässig,
und Ziel 2 weckt seine Begehrlichkeit:
Ziel 2: Wieder mehr so zu leben (vor allem zu essen) wie bisher,
so, wie alle Anderen leben und essen. So bald der Patient jedoch
wieder in dieses vorher gewohnte Verhalten (das ihm ja seinen
Bluthochdruck beschert hatte) auch nur teilweise hineingleitet, steigt
auch der Blutdruck wieder. Je höher dieser klettert, desto stärker
wird die Erkenntnis: "Ich will jetzt noch mal einen Zeitraum
lang konsequenter sein ...", das heißt, Ziel 1 gewinnt
wieder an Attraktivität.
Dieses Oszillieren zwischen zwei Zielen, die jeweils abwechselnd eine
Zeit lang verfolgt werden, mündet in einer
"Endlos-Schleife". Es gibt nur zwei Alternativen, wie diese
beendet werden kann: Entweder, der müde gewordene Organismus setzt
selbst dem Ganzen ein (wenn auch fatales) Ende, oder der Zielkonflikt
wird zu Lebzeiten beendet, indem ein Ziel dem anderen Ziel
untergeordnet (das heißt aufgegeben) wird:
Entweder Ziel 1 ist das übergeordnete Ziel: Gesundheit,
Leistungsfähigkeit, Stresstoleranz, Gelassenheit, Kraft, normaler
Blutdruck. Diesem muss dann Ziel 2 (leben und essen wie alle Anderen)
untergeordnet, zugunsten von Ziel 1 aufgegeben werden.
Oder Ziel 2 ist das übergeordnete Ziel: Leben und essen wie alle
Anderen. Diesem muss dann Ziel 1 (Gesundheit, Leistungsfähigkeit,
Stresstoleranz, Gelassenheit, Kraft, normaler Blutdruck)
untergeordnet, zugunsten von Ziel 2 aufgegeben werden.
Nicht selten werde ich gefragt: "Wie lange muss ich denn noch
gesund essen, nachdem ich gesund geworden bin?" Ich beantworte
solches dann mit einer Gegenfrage: "Wie lange muss man atmen,
damit man nicht erstickt?" Die Antwort ist: "Dauernd, nicht
nur eine Zeit lang!"
Friedrichshafen, im Jahr 2005 Dr. Johann Georg Schnitzer