Die G8 – Motor der globalisierten Ungerechtigkeit

Hinweis: Dieser Artikel ist nur als kurze und grobe Zusammenfassung der wesentlichsten Punkte zum Thema G8 gedacht. Quellen für weitere, ausführlichere Informationen werden am Ende genannt.

Wer oder was ist die G8?

Die G8, oder Gruppe der Acht, ist ein informeller Arbeitszusammenhang der Regierungen (Exekutive) folgender acht Nationen: USA, Japan, Deutschland, England, Frankreich, Italien, Kanada und Russland, das hier noch eine Sonderstellung einnimmt. Die G8 ist keine internationale Organisation, sie besitzt keine Niederlassung oder Postanschrift.

Einmal im Jahr findet der sogenannte G8-Gipfel (früher: „Weltwirtschaftsgipfel“) statt, bei dem sich die Regierungschefs der genannten Länder treffen, beraten und auch Entscheidungen fällen, die Auswirkungen auf die ganze Welt haben. Dies geschieht im wesentlichen hinter verschlossenen Türen, es gibt keine öffentlich zugänglichen Protokolle, die Öffentlichkeit erfährt nur das, was man als geeignet (sprich: unverfänglich) ansieht. Die G8 haben den Charakter eines exklusiven Clubs. Allerdings stellen diese Gipfel, wie das Wort vermuten lässt, nur die Spitze des Eisbergs dar: Das ganze Jahr über gibt es auf der Ebene der einzelnen Minister Absprachen und informelle Treffen.

Die G8 müssen dabei im Zusammenhang mit anderen globalen Institutionen gesehen werden: Während in der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) das Prinzip „Ein Land, eine Stimme“ gilt, bemisst sich das Stimmrecht bei der Weltbank und beim Internationalen Währungsfonds (IWF) nach dem Kapitalanteil: So haben die USA und die EU dort jeweils eine eigene Sperrminorität, d. h. alles was ihnen nicht passt, wird nicht beschlossen. Umgekehrt: Wäre ihnen die gegenwärtige Politik dieser Institutionen nicht genehm, so könnten sie sie verhindern.

Die Politik von Weltbank und IWF spiegelt so also indirekt die Einstellung der G8 wieder, welche als neoliberal bezeichnet wird: Damit Entwicklungsländer Kredite beim IWF bekommen können, müssen sie bestimmte Auflagen erfüllen, sog. „Strukturanpassungsmaßnahmen“ durchführen. Diese ‚Empfehlungen‘ sind immer gleich: Privatisierung, Deregulierung und Liberalisierung. So kommt es z. B., dass große amerikanische und europäische Konzerne ehemals staatliche Firmen in Entwicklungsländern aufgekauft haben und nun seelenruhig, ohne viel in die teilweise äußerst maroden Strukturen zu investieren, die Gewinne einstreichen.

Die Entwicklungsländer nehmen (von publikumswirksamen Alibi-Einladungen abgesehen) nicht an den G8-Club-Treffen teil und haben so auch keinen Einfluss.

Es gibt viele Hinweise dafür, dass die G8 eine informelle Konkurrenzorganisation zu den Vereinten Nationen darstellt: Dort in der Generalversammlung haben die G8-Länder nur acht Stimmen von derzeit 192, können also theoretisch von den Entwicklungsländern überstimmt werden (in der Praxis verhinderten z. B. die USA Sanktionen gegen sich selbst dann durch ihr Veto-Recht im UN-Sicherheitsrat, wo die ständigen Mitglieder bis auf China alle auch G8-Staaten sind). Zudem haben die USA schon länger versucht, die UN, die ja auf dem Völkerrecht basieren, zu zerstören, z. B. indem sie ihre Beitragszahlungen aussetzten.

Man kann nicht genug darauf hinweisen, dass neben den acht Regierungen auch die großen transnationalen Unternehmen Vertreter zu G8-Zusammenkünften entsenden.

Betrachtet man die personellen Verflechtungen, die z. B. zwischen der Bush-Clique und amerikanischen Großunternehmen bestehen, so bekommt man einen ersten Eindruck, was G8-Politik bedeuten kann: Bekanntestes Beispiel ist hier die Verbindung des derzeitigen US-Vizepräsidenten Dick Cheney zu dem Bauunternehmen Halliburton, dem z. B. ungeheure Anteile der Wiederaufbau-Aufträge im Irak zugeschanzt wurden.

Wie kommt so etwas? – Geschichte der G8

Dass ausgerechnet die Regierungschefs von nur acht Staaten sich anmaßen, über die Welt zu bestimmen, mutet in der Tat befremdlich an.

Der erste Weltwirtschaftsgipfel fand 1975 im Schloss Rambouillet statt (damals noch ohne Russland und auch ohne Kanada, das aber schon 1976 dazu kam).

Viele Ereignisse, die sich der Zuständigkeit einzelner nationaler Regierungen entzogen, hatten den Wunsch nach einer Möglichkeit zum „informellen Gedankenaustausch“ geschürt: Der verlorene Vietnamkrieg, die Auswirkungen der Ölkrise und die Erfahrung der Abhängigkeit des Westens von Ölimporten aus dem Osten, die einsetzende Rezession und Arbeitslosigkeit in den Industrieländern, das Ende der Dekolonialisierung und das damit einhergehende neue Gewicht der Gruppe der 77 (loser Zusammenschluss von 77 Staaten der sog. Dritten Welt) in der Generalversammlung der UN.

Von großer Wichtigkeit war insbesondere der Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems im Zuge des Vietnamkriegs: Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs waren die großen Leitwährungen der Welt fest an den Dollar gebunden gewesen. Die amerikanische Zentralbank hatte die Verpflichtung gehabt, Dollar in Gold einzulösen. Dieser konnte sie 1969 nicht mehr nachkommen, bis 1973 brach das System dann endgültig zusammen, es wurden (auf Anraten des Ökonoms Milton Friedman) freie Wechselkurse eingeführt: Hiermit war die Möglichkeit zur Devisenspekulationen entstanden, die insbesondere bei großen Kapitalmengen lukrativ wird.

Während die G7-Treffen zunächst noch als staatliches Gegengewicht gegen die zunehmende Macht der transnationalen Unternehmen gedacht war, änderte sich dies endgültig mit dem Antritt sog. neokonservativer Regierungen zu Beginn der 80er Jahre: Margaret Thatcher in England 1979, Ronald Reagan in den USA 1980 und Helmut Kohl in (West-) Deutschland 1982. Nun vertrat die G7 ganz generell die neoliberale Weltanschauung, geprägt von Milton Friedman und Friedrich A. von Hayek, verbreitet von zahlreichen think-tanks, bezahlt von großen Unternehmen: Die Staaten sollten sich selbst auf das nötige Minimum reduzieren und das Spiel des freien Marktes gefälligst nicht behindern. Dies beschleunigte sich noch mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion Ende der 80er Jahre, wodurch endgültig erwiesen schien, dass nur die freie Marktwirtschaft das Allheilmittel sei.

Bereits ab 1992 wurde dann Russland – nicht wegen seiner wirtschaftlichen Stärke, sondern eher wegen seiner geopolitischen Bedeutung – langsam in die G7 integriert, was man zunächst noch G7+1, ab 1997 dann G8 nannte.

Kritik: In aller Kürze

Kritik an der G8 bedeutet neben der Kritik an diesen auch Kritik am ganzen Zusammenhang ihrer Politik. Hier eine Auflistung der wichtigsten Punkte:

  • Die G8 ist in keinster Weise demokratisch legitimiert. Wären die Gespräche reiner „Gedankenaustausch“, so wäre dies nicht problematisch. Allerdings werden auch Entscheidungen getroffen. Diese entstehen auf rein exekutiver Grundlage, d. h. die von den jeweiligen Völkern gewählten Parlamente haben darauf keinen Einfluss. Dabei sind die G8-Gipfel trotzdem zur festen Institution geronnen. Zudem weiß die Öffentlichkeit nicht einmal, was dort eigentlich genau hinter verschlossenen Türen beschlossen wird: Die G8 entzieht sich jeglicher Kontrolle, sie ist ein illegitimes Bündnis der Herrschenden und damit gegen die Prinzipien der Demokratie gerichtet.

  • Die G8 unterstützt die Unterordnung der Sozialpolitik, der Menschenrechte, des Umweltschutzes unter das Profitinteresse einzelner: die Kapitalmärkte wurden international dereguliert, was zum sog. Finanzmarktmarktkapitalismus, auch „Heuschreckenkapitalismus“ genannt, führte. Die mögliche sofortige Abstoßung von Anteilen an Firmen wurde gang und gäbe, sodass diese aus Angst vor Kapitalflucht ständig daran arbeiten müssen, kurzfristige Gewinne vorzuweisen, um ihre Aktien für die Aktionäre zu einer sofort-rentablen Geldanlage zu machen. Andererseits verkommt die Wirtschaftspolitik der Nationalstaaten zu einer reinen Standortpolitik: Die Staaten befinden sich im Wettbewerb um die Investoren und ködern sie mit immer neuen Steuersenkungen und Anreizen. Insbesondere werden die Sozialausgaben gekürzt, um die Lohnnebenkosten zu senken. Gleichzeitig zahlen die großen Unternehmen keine Steuern aufgrund zahlreicher Steueroasen, gegen die man nichts weiter unternimmt.

  • Die G8 tut nichts wesentliches gegen die gigantische Verschuldung der Entwicklungsländer, die durch die aufgezwungene neoliberale Politik von IWF und Weltbank zudem die noch profitablen staatlichen Unternehmen an meist transnationalen Konzerne verkaufen mussten, was sie nur noch tiefer in die Schuldenfalle trieb und damit letztlich handlungsunfähig machte.

  • Die G8 fördert und fordert nachdrücklich eine restriktive Patentpolitik („Recht des geistigen Eigentums“). Das ist besonders insofern bedenklich, als jetzt mit der Entschlüsselung der DNA-Sequenzen auch Lebewesen patentiert werden. Aber schon heute sterben viele Arme an heilbaren Krankheiten, weil die patentierten Medikamente durch Lizenzzahlungen zu teuer sind, Kleinbauern können sich ihr eigenes Saatgut nicht mehr leisten, da es von Konzernen patentiert wurde...

  • Die G8 tut alles, um sich Rohstoffe zu sichern. Dass die hohen Deviseneinnahmen für Rohstoffe in den Entwicklungsländern meist nur wenigen korrupten Herrschen zugute kommen, die Mehrheit der Bevölkerung aber in einem bedauerlichen Zustand vor sich hin vegetiert, spielt dabei keine Rolle.

  • Die G8 befeuert die globale Erderwärmung: Nur ca. 14% der Weltbevölkerung in den G8- Ländern produzieren ca. 50% des weltweiten anthropogenen CO2-Ausstoßes. Die Folgen treffen wiederum vor allem die Armen: Sie leben schon heute in Flut-gefährdeten oder unfruchtbaren Gebieten.

  • Die G8 erklärte den Sozialabbau in den Industrieländern (Beispiel Hartz IV) als erstrebenswert, anstatt die sozialen Errungenschaften der Völker umfassend zu verteidigen.

  • Die G8 erzwingt im Namen des IWF und der Weltbank in Entwicklungsländern die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen. Die Folge: Marode Bahnnetze; Verteuerung des Wassers, der Krankenhausbehandlung, ...

  • Die G8 subventioniert und exportiert ihre landwirtschaftliche Produktion, sodass Entwicklungsländer z. B. mit billigem, weil subventioniertem Getreide konkurrieren müssen.

  • Die G8 verfügt zusammen über die größte Militärmacht der Welt, die G8-Staaten sind die größten Waffenhändler.

  • Die G8 haben (wenn auch zum ersten Mal ernsthaft uneins) einen Angriffskrieg gegen den Irak geführt, unter nachweislich falschem Vorwand und mit unzähligen zivilen Opfern.

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Quellen / Zusätzliche Informationen

  • www.attac.de/heiligendamm07/pages/kritik-an-der-g8.php (Zugriff 31.07.2007)

  • sowie weitere Seiten bei www.attac.de

  • Hamm, Bernd: Die neoliberale Offensive. In: Hamm, B. (Hrsg.): Gesellschaft zerstören. Berlin, 2004

  • Hamm, Bernd: Die soziale Struktur der Globalisierung. Berlin, 2006

  • Der Dokumentationsfilm „The Corporation“ (Kanada, 2003) untersucht eingehend die Folgen der Existenz großer Konzerne und geht dabei auch auf die ‚Globalisierung‘ und die G8 ein. In Deutschland nur erhältlich bei Zweitausendeins.

  • Die Monatszeitung „Le Monde diplomatique“ berichtet regelmäßig von den Auswirkungen der neoliberalen Politik des IWF und der Weltbank auf Entwicklungsländer.

Autor(en): 
Asyndeton