- Rechtsanwalt - Mandant - Richter

Rechtsanwälte haben sich gem. § 1 BRAO als "Organe der Rechtspflege"1 zu verstehen. Damit sind sie dem Mandanten nicht nur im Sinne eines Dienstvertrages (zwecks Geschäftsbesorgung) verpflichtet, sondern unterliegen, wie andere "verkammerte" freie Berufsgruppen, z. B. Ärzte, der Zwangsmitgliedschaft bei der Rechtsanwaltskammer des jeweiligen Bundeslandes. Z.. B. werden Rechstanwälte vor der Kammer vereidigt. Auch müssen Rechtsanwälte an den Gerichten zugelassen sein. Das sog. Lokalisationsprinzip wurde 2002 - endlich! - aufgehoben, man kann nun also auch einen auswärtig ansässigen Anwalt zur Vertretung an allen Zivilgerichten - einschließlich OLGe - beauftragen.  

Neben der Zwangsmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer (BRAK) sind etwa 50% aller Anwälte freiwilliges Mitglied in den lokalen Anwaltsvereinen (DAV), z.B. Heidelberg. Der DAV e.V. ist Herausgeber des Anwaltsblatts. Tochtergesellschaft ist die Deutsche Anwaltsakademie. Der Deutsche Anwaltsverein gibt den AnwaltKommentar heraus:AnwaltKommentar BGB. Gesamtausgabe. Bd 1. Allgemeiner Teil mit EGBGB - Heidel, Thomas [Hrsg.], Gerhard Ring und Barbara Dauner-Lieb:

Der oft gehörte Spruch: "Ich gehe zu meinem Rechtsanwalt" weckt falsche Vorstellungen. Ein Anwalt stellt bei seiner Prozeßstrategie in Rechnung, daß der Mandant geht, der Richter und Kollege bleibt. Das ist nicht ganz unverständlich, denn jeder Rechtsanwalt sitzt - besonders an den Zivilgerichten - zwischen den Stühlen der lieben "Kollegen". Hinzu tritt - wohl zunehmend - das nicht selten problematische Akquise-Verhalten von Rechtsanwälten, die sich zunehmend massenhalt tummeln - derzeit sind dies in der BRD 160 000. Auf dem Anwaltstag 2014 erhob sich der Ruf nach ehtischen Richtlinien: Anwaltsverein und Rechtanwaltkammer wollten freilich davon nichts wissen, sie verwiesen auf das Berufsrecht. Gleichwohl verwies Matthias Kilian, Direktor des Soldan Instituts für Anwaltsmanagement auf das notwendige Vertrauen, daß jeder Mandant einem Rechtsanwalt (wie übrigens auch dem Richter und Arzt) - gewissermaßen als Vorschuß - entgegenbringen muß, dies schon deshalb, weil jeder Anwaltswechsel mit teils doppelten Kosten verbunden ist.

Allgemein gesprochen gilt zwar der Erfahrungssatz: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Dieser von Anwälten gerne zitierte Spruch dient ihrer Entlastung bei falscher Prognose und will sagen, daß die Gerechtigkeit oft nur ein Zufallsprodukt ist. Zufall mögen die Voreinstellungen des Richters sein2. Da kann man Glück oder Pech haben. Vielleicht wichtiger noch sind aber Beziehungen. Anwälte und Richter an Zivilgerichten kennen sich, nicht selten auch privat. Damit kann nicht nur das Renommee eines Rechtsanwalts, sondern ebenso dessen "Beziehung" zum jeweiligen Richter wesentlich auf das Prozeßgeschehen und vor allem auf das Ergebnis einwirken. 

Denn selten ist ein Rechtsstreit  durch die Gesetzeslage im Ergebnis eindeutig festgelegt - zumeist hat der Richter einen erheblichen Entscheidungsspielraum. Folglich spielt nicht nur Qualität und Sachkunde des Anwalts für den Erfolg einer Klage eine Rolle, sondern auch dessen "Draht" zum zuständigen Richter am Eingangsgericht. Damit nicht genug: Natürlich kann auch die Beziehung des eigenen Rechtsanwalts zum Prozeßbevollmächtigten der Gegenseite "kollegialiter" eine Rolle spielen, dies leider durchaus nicht immer zum Vorteil des Mandanten. Merke: Jeder Rechtsanwalt lebt vom Streit(wert) und hat zuvörderst sein eigenes Wohl im Auge - da nützt/schadet manchmal auch eine Kollaboration mit dem Kollegen Gegenanwalt. Nicht nur die Höhe des Streitwertes zählt für beide Anwälte, sondern die Möglichkeit, ein Verfahren einfach und schnell - am besten durch Vergleich (extra Gebühr) - zu "erledigen" - das spart für beide Zeit und Geld. Grundsätzlich gilt für Anwälte, die einen Brotberuf betreiben: Wer verliert, muß auch den Anwalt des Gegners honorieren, der Anwalt verdiet also immer (Neuerdings sind Erfolgs-Honorar-Vereinbarungen in besonderen Fällen allerdings nicht mehr ganz unzulässig). Die starr an den Streitwert gebundene Honorarordnung3 hat natürlich Auswirkungen: Der Anwalt kassiert den gleichen Betrag, ob er viel oder wenig Zeit aufwendet. Hinzu kommt: er sucht den Streitwert "mit allen Mitteln" (Spiegel, s.u.) nach oben zu treiben, er rät leichtfertig zur Berufung, oder: er nimmt Ihren Fall gar nicht erst an.

Wie überall gilt: Es verlohnt sich, sich selbst schlau zu machen, oft allerdings reicht schon die Zeit dafür nicht, etwa eine Zweitmeinung einholen. Querulatorisch veranlagte Mandanten, insb. Lehrer, sind bei Rechtsanwälten unbeliebt. Was nun allerdings die Querulanten angeht: Auch unter Rechtsanwälten und Richtern sind sie keineswegs selten vertreten, gäbe es sie nicht, würde das BVerfG sie nicht mit Mißbrauchsgebühren belegen. Vielleicht liegt manchen Rechtsanwälten ein gewisses Querulantentum als "Natur der Sache" nicht fern? 

Zur Suche und Auswahl des Rechtsanwalts in Fällen von Anwaltszwang4:

-Ein erstes Kriterium dürfte die Sachkunde/Tätigkeitsschwerpunkt sein, die manche Anwälte neuerdings (seit 1986 ff) Titel "Fachanwalt" kommunizieren. 

- Völlig belanglos für die Qualität der Arbeit eines Anwalts dürfte ein Doktortitel sein - und dies nicht erst seit Guttenberg. Dies gilt übrigens auch für Richter. Ein Dr. jur. sagt vor allem etwas aus über Ehrgeiz und Befriedigung von Eitelkeitsbedürfnissen. Nur sehr wenige juristische Dissertationen sind von wissenschaftlichem Wert. In der Gerichtspraxis kommt es nicht nur auf Fachkenntnisse, sondern auch auf psychologisches Geschick an. 

- Sodann kann man sich im Netz schlau machen, wo mancher Rechtsanwalt ein Werbevideo plaziert. Weit aussagkräftiger, wenngleich seltener, ist eine Page, z. B. die des RA Strate oder des RA Sachenbrecher. Zum eher peinlichen Thema "Querulant" findet man nur höchst selten anwaltliche Äußerungen wie etwa bei RA Tobias Goldkamp.

- Mit Beginn der sog." Anwaltsschwemme" hat sich gar das Anwalts-Coaching (Mandanten-Akquise) zum eigenen Geschäftsmodell entwickelt. Die meisten Anwälte sind allerdings Nobodies, einige mit Wohnzimmerkanzleien.Sogar abgebrochene Jurastudenten fielen in foro nicht auf, ähnlich dem Postboten Postel. Insbesondere wenn sich, was zulässig ist, Behörden-Juristen im Altenteil als Anwälte zulassen, ist mit gröbsten Fehlern zu rechnen5.

- Vorsicht ist auch bei Empfehlungen seitens Betroffener-Verbände geboten: diese ähneln, natürlich verkappt, Mandanten-Beschaffungsvereinen. Beispielsweise entpuppten sich mehrere Bezirksstellenleiter beim ISUV e. V. als Rechtsanwälte, die natürlich auch im Vorstand dominierten. Bezeichnend für diesen angeblichen Betroffenenverband der Unterhaltspflichtigen ist, daß heimlich still und leise - auch noch kurz nach einer Delegiertenversammlung - die Unterhaltsberechtigten aufgenommen wurden, ohne daß dazu zuvor das erforderliche Plazet der Delegierten eingeholt worden war: offensichtlich ging es allein darum die Mitgliederzahl und damit die potenzielle Mandantschaft zu erhöhen6.
 
TIP: Beim Erstbesuch empfielt es sich, ein moderates Honorar zu vereinbaren, dies für den Fall, daß sie den Anwalt danach nicht bevollmächtigen; vereinbaren Sie nichts, kann der Anwalt kräftig zulangen, etwa mit 190 € für einen Erstkontakt oder mit einem Stundenhonorar von mindestens 200 €. Testen Sie also 2 oder 3 Anwälte, was anzuraten ist, sind Sie schnell mal zumindest 600 € los. Zu beachten ist auch: Jeder spätere Anwaltswechsel führt u. U. zur Verdoppelung der Honorarkosten, denn die Gebühren für den entsprechenden Verfahrensabschitt fallen noch einmal an, ganz so wie beim Arzt. 



relativ "ehrliche" (Selbst)empfehlung: http://www.youtube.com/watch?v=bU6fbJAyYlY
Trouvaille zum Thema:  http://www.youtube.com/watch?v=TchESsBavb0   



Anmerkungen:
1 § 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO). Der Begriff "Organ der Rechtspflege" ist eine Erfindung des Ehrengerichtshofes am RG von 1883 und sollte der Disziplinierung der Rechtanwälte (U. Wesel, Risiko Rechtsanwalt, 2001, 180) dienen; er ist also, wie auch der Anwaltszwang, typischer Ausfluß des deutschen Obrigkeitsstaates. 

Link zum Begriff Organ der Rechtspflege.

Das Bundesverfassungsgericht spricht sogar noch 1974 von "staatlich gebundenen Vertrauensberuf" in "amtsähnlicher Stellung" (BVerfGE 38, 105ff). Rechtsanwälte partizipieren in der BRD an der Unangreifbarkeit (kein effektiver Rechtsschutz gegen Richter) der 3. Gewalt (Justiz). Die BRAO ist in ständiger, rechtspolitisch bestimmter Entwicklung. Vor dem Hintergrund des bereits 1928 gegründeten politisch auf "Gleichschaltung" hin orientierten NS-Rechtswahrerbundes (NS-Sammelbegriff für Anwälte, Richter, Gerichtsvollzieher, Sachverständige usw.:  "Deutsche  Rechtsfront"), ist  die "freie Advokatur" verständliches Wunschbild der Rechtsanwälte.   
Prozesse gegen Anwaltspfusch sind ähnlich schwierig wie gegen Ärztepfusch, dies aufgrund der äußerst geringen Selbstreinigungskraft von Anwalts- wie Richterschaft. In den Medien wurde das Thema (soweit ersichtlich) selten, zuletzt am 2.12.2002 behandelt (PHOENIX, Wenn Anwälte pfuschen).

2 Eine der wenigen Untersuchungen in Sachen der in der BRD recht unbeliebten Rechtstatsachenforschung hat z. B. ergeben, daß in Mietsachen Richter, die selbst Mieter waren, deutlich mieterfreundlicher entschieden als anders herum.

3 Das Prinzip der Anbindung der Honorare an den Streitwert stammt aus dem Jahre 1879: damals wurde an den sozialen Ausgleich gedacht, die reicheren Mandanten sollte die ärmeren mitfinanzieren. Die BRAGO läßt aber Stundenhonorare für Tätigkeiten außerhalb von Prozessen zu.

4 die Rechtfertigung des Anwaltszwanges in der Zivilgerichtsbarkeit verschweigt die wesentlichen, ideologisch motivierten Zwecke: die Erschwerung des unmittelbaren Zugangs der Partei zum Richter in Verbindung mit der beträchtlichen Einkommensquelle für die "Kollegen", zu denen sich übrigens auch pensionierte(!) Richter zählen dürfen. Dem Anwaltszwang wurde stattdessen unterlegt: Stärkung der Verfahrensrechte des Bürgers und Sicherung der Effektivität des rechtlichen Gehörs.
Bekanntlich sind Juristen in unseren Parlamenten stark überrepräsentiert, was erklären könnte, warum immer neue Einkommensquellen für diese Zunft generiert werden. Andere vergleichbare Demokratien kommen jedenfalls ohne Anwaltszwang aus, allen voran England und die Schweiz (dort nur im Strafprozess und beim Bundesgericht). Das aus dem NS-Jahr 1935 datierende Rechtsberatungsgesetz hatte bis 2008 Bestand, ein fast unglaublicher Vorgang, danach lebte es in Gestalt des sog. Rechtsdienstleistungsgesetz fort. Neu ist fortan lediglich, daß unentgeltliche, außergerichtliche Rechtsberatung nicht mehr grundsätzlich verboten, sondern nun ausnahmsweise erlaubt ist. Der sog. Prozeßagent hat nun ausgedient, es bleibt der "Beistand" (§ 90 ZPO).

5 So mußte es der Verf. erleben, daß sein Prozeßbevollmächtigter, ein ehemaliger Finanzjurist, sein Ablehnungrecht dadurch verbrauchte, daß er vor der eigentlichen Richterablehnung noch zwei Anträge stellte, anstatt, logisch richtig, in umgekehrter Reihenfolge vorzugehen: erst das Ablehnungsgesuch, dann die Anträge. Das wohlbegündete Ablehnungsgesuch wurde aus formellem Grunde zurückgewiesen - ein schwerer Anwaltsfehler! 

6 Der korrupte Vorstand schloß den Verf. förmlich aus dem Verband aus, nachdem dieser (nach jahrelanger unentgeltlicher Arbeit für den Verband) diese illegale Satzungsänderung zusammen mit weitere Mißstände innerverbandlich angeprangert hatte.



Anwaltskritische Literatur:
- "Anwälte - Zahl steigt, Ansehen sinkt" (SPIEGEL-Serie, 49/1989, 145ff) 
- Wagner: Vorsicht Rechtsanwalt, 2014

zur Anwaltsethik:

Anwaltskritik im Netz:


Anwalt zum Thema Prozeßunfähigkeit:
Kommentar: schwache Behandlung des Themas ...

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