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Ia. BVerfG - Beschluß vom 19.08.2013 - 1 BvR 577/13.
Die Kammer ließ die Frage der Verletzung der Art. 1 uns 2 GG offen und erkannte lediglich auf die Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheit vor dem Gesetz) - mehr leider nicht!

Verwundern kann die Tatsache, daß sich das BVerfG mit dem Skandalon unbegründeter Psychiatrisierung bislang nicht auseinandersetzte. Gleichwohl ist der Entscheidung doch einiges zu entnehmen:

Im Kieler Fall lag wohl Querulanz vor. Die Gerichte (AG und LG Kiel) hatten kurzerhand und zu vorschnell die in-dubio-Regel angewendet, nachdem die betroffene Frau eine persönliche Begutachtung - sprich: ein "Explorationsgespräch" - verweigert hatte.

Die Kammer des BVerfGs stützte sich nurmehr auf die "ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs" (hier: BGH 14. Juli 1966 - VI ZR 37/65), wonach alle verfügbaren Beweismittel auszuschöpfen sind. Ein bloßes Aktengutachten des "Stadtarztes des Gesundheitsamtes" wurde als nicht ausreichend befunden. Die Kieler Gerichte hätten durch eine weitere Expertise zu einer "überzeugenden Begründung" gelangen müssen, die die Endendscheidung "rechtfertigen" konnte. 

Die Kammer erkannte v. a. auf folgende Mängel:  

- die Gerichte hätten sich nicht erkennbar mit der "einschlägigen Rechtslage eingehend auseinandergesetzt";
- es fehle eine "besonders sorgfältige Auseinandersetzung mit der Tatsachengrundlage am Maßstab der einschlägigen Rechtslage".

Kommentar:
Hierzu ist einzuwenden, daß eine "einschlägige Rechtslage", die als Maßstab dienen könnte, im Grunde gar nicht vorliegt. Entscheidend war denn auch etwas anderes: Der Stadtarzt hatte (sinngemäß) erklärt, daß die Akten für eine sichere Bewertung des Geisteszustandes der betreffenden Frau nicht genügend hergegeben hätten. Hiernach hätte die in-dubio-Regel - noch nicht - angewendet werden dürfen. Mehr leistete die Kammer des BVerfGs nicht. Es bleibt also nur, zu warten und zu hoffen ... 

Bemerkenswert ist in diesem Fall, daß lediglich ein Kieler "Stadtarzt" des Gesundheitsamtes (!) vom Gericht beauftragt worden war, dessen Qualifikation mutmaßlich eher spärlich war. Dies erinnert an die Lage in Baden-Württemberg, siehe hierzu den Fall des Verf. in Heidelberg.

Kommentierung:
Der Kieler Vorgang belegt einmal mehr die schier grenzenlose Leichtfertigkeit, mit der Gerichte allerorten rechtssuchende Parteien womöglich psychiatrisieren. Auf die sich auch hier stellende Kernfrage, inwie weit bereits bloße Zweifel des Gerichts spätestens im Beweisbeschluß eine Darlegung von Anknüpfungstatsachen/Indiztatsachen erforderlich gemacht hätte (Art. 1 Abs.1 GG usw.) ging die Kammer des BVerfGs nicht ein - möglicherweise aber auch deshalb nicht, weil die Begründung der Verfassungsbeschwerde diese verfassungsrechtlich wichtigste Frage nicht angesprochen hatte. Immerhin aber taucht in der Entscheidung der Kammer der Begriff "Tatsachengrundlage" auf. Es bleibt also zu hoffen.


Ib. BVerfG - B. v. 16.06.2016 - 1 BvR 2509/15
Hier setzte sich die Kammer mit einem Beschluß des LAG Hamburg auseinander: das LAG versagte die Bewilligung der PKH wegen vermuteter Prozessunfähigkeit des Antragstellers nach bloßer Aktenlage, ohne jede Ausschöpfung aller Beweismittel (insbes. Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung des Antragstellers). 

Wenn es heißt: "Der dem Antrag beigefügte Klageentwurf war geprägt von Verunglimpfungen und Beschimpfungen der Justiz im Allgemeinen und auch von einzelnen, namentlich genannten Richtern", so läßt sies darauf schließen, daß es dem LAG um die rasche Entledigung von einem Querulanten ging, der unter "Querulantenwahn" leide.

Immerhin ist es löblich, daß das BVerfG sich - soweit ersichtlich: erstmalig -
mit dem gewohnheitsrechtlich eingeschliffenen, willkürlichen Umgang deutscher Gerichte mit vermeintlichen Querulanten befaßte. Was aber noch aussteht, ist die Feststellung eines tragfähigen Begründungszwanges nicht nur der Endentscheidung in der Frage der Prozeßfähigkeit, sondern bereits des Beweisbeschlusses. 

Bis dahin dürfte es noch eine weiter Weg sein! 





II.
Urteil des EGMR in Straßburg vom 29.März 1989 (Bock gegen Deutschland
"Nach Ansicht der Kommission ist der Bf. für die lang andauernde Unsicherheit, die durch die Zweifel an seinen geistigen Fähigkeiten hervorgerufen wurde, zu entschädigen." "Nach Ansicht des Gerichtshofs hat die infolge der langanhaltenden Zweifel an seiner geistigen Gesundheit - hier Prozeßfähigkeit - eingetretene Überschreitung der „angemessenen Frist“ den Bf. schwer beeinträchtigt. Ihm ist daher für diesen Schadenssposten nach Billigkeit ein Betrag von 10.000,– DM [ca. 5.113,– Euro] zu zusprechen." Die Kammer befand: Neunjährige(!) "Zweifel" stellen eine schwere Beeinträchtigung seiner Menschenwürde dar. Der Fall des Hermann Bock nimmt den Fall Mollath vorweg: die perfiden Psychiatrisierungsversuche seitens der in Scheidung lebenden Ehefrau wurden bereitwillig von Gerichten und z.T. auch von sachverständigen Ärzten aufgegriffen. "Ein entscheidender Grund für die beobachteten Verzögerungen waren die Zweifel, die die Ehefrau des Bf. bezüglich seiner Prozessfähigkeit geweckt hatte." Urteil des EGMR S. 259. Nr. 47. Schließlich stellten sich diese Zweifel als unberechtigt heraus, s. Urteil des EGMR S. 259, Nr. 48. 
Besonders interessant ist dabei folgende Feststellung des EGMR zum Psychiatrisierungseifer der deutschen Justiz, wenn es heißt:
"Hier geht es weniger um einen Mangel an Aktivität des Gerichs als vielmehr um ein zu intensives Tätigwerden im Hinblick auf den Geisteszustand des Bf." Der dem Betroffenen zugesprochene Ausgleich für immateriellen Schaden (mehrjährige Zweifel an der Prozeßfähigkeit) fiel eher bescheiden aus: gerade mal DM 10.000. 
Die mehrfachen Verfassungsbeschwerden des mit Zweifeln überzogenen Ehemannes wurden als unzulässig und unbegründet zurückgewiesen. 




III. Das OLG Frankfurt a. M. gab mit Beschluß vom 9.1.2004, Az.19 W 63/03, "entgegen der Ansicht des Landgerichts" einem Befangenheitsgesuch statt. Eine Richterin hatte die Einholung eines fachärztlichen psychiatrischen Gutachtens zur Prüfung der Prozeßfähigkeit des Beklagten angeordnet, ohne die betroffene Partei hierzu persönlich angehört zu haben. Ausweislich des Sitzungsprotokolls war während der Verhandlung die Frage der Prozeßfähigkeit des Beklagten nicht angesprochen worden. Der Sachverständige kam zum Ergebnis, daß sich "kein Anhalt für das Vorliegen einer psychischen Erkrankung ergeben habe. Einsichtsfähigkeit, Steuerungsfähigkeit, Geschäftsfähigkeit und damit auch Prozeßfähigkeit seien ohne Einschränkung gegeben." 

Anmerkung: 
Der Fall ist bezeichnend für die Leichtfertigkeit, mit der deutscher Richter mal eben die Hürde einer psychiatrischen Untersuchung errichten und wie restriktiv Kollegen mit dem Korrektiv der Richterablehnung (§ 42 ZPO) umgehen. Umso bemerkenswerter ist folgender Passus im Beschluß des OLG Frankfurt/M., allerdings mit der fragwürdigen Unterscheidung zwischen Rechtsanwalt und Normalbürgern: 
"Aber nicht erst die Verneinung seiner Prozeßfähigkeit, sondern bereits der Umstand, daß sie von einem Gericht infrage gestellt und zum Gegenstand einer Beweiserhebung gemacht wird, hat für den Betroffenen erhebliche Auswirkungen. Dem Prozeßgegner wird, wie es der Beklagte geltend macht, mit einem entsprechenden Beweisbeschluß ein Mittel in die Hand gegeben, das geeignet ist, auch bei unbeteiligten Dritten Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen hervorzurufen und ihm dadurch die Teilnahme am allgemeinen Rechtsverkehr zu erschweren. Damit stellt schon die bloße Beweiserhebung über seine Prozeßfähigkeit für den Betroffenen, zumal wenn es sich bei ihm wie hier um einen Rechtsanwalt handelt, einen erheblichen Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar. Sie darf deshalb nur erfolgen, wenn hinreichende Anhaltspunkte für ihr Fehlen vorliegen. Dies aber wird sich im Regelfall nicht ohne eine persönliche Anhörung des Betroffenen zu seiner Prozeßfähigkeit feststellen lassen (ebenso BVerfG NJW 1974, 1289ff)."


 
IV. Im Kammerbeschluss des BVerfG vom 29.11.2005 (1 BvR 1542/05 - im Anschluß an den Plenumsbeschluß vom 30.04.2003 (BVerfGE 107, 395) - ging die Kammer - leider - nicht darauf ein, daß der Beweisbeschluß, mit dem eine psychiatrische Begutachtung angeordnet worden war, unbegründet war. (Das OLG Düsseldorf hatte die Frage der Begründung "dahinstehen" lassen, weil das AG seine Bedenken hinsichtlich der Prozeßfähigkeit des Beschwerdeführers bereits zuvor in einem ein Gesuch um Prozeßkostenhilfe zurückweisenden Beschluß ausführlich dargelegt hätte.) Das BVerfG sah jedoch das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers verletzt, weil dieser nicht Gelegenheit erhalten hatte, in einer persönlichen Anhörung "zu der beabsichtigten Beweiserhebung über seine Prozessfähigkeit Stellung nehmen zu können". Damit ist die Frage klar beantwortet: Zentrales Thema im Anhörungstermin ist die Frage der Beweiserhebung als solche. Diese kann naturgemäß nicht losgetrennt von den Gründen diskutiert werden. Zur Sprache gebracht könnte so manches: etwa die Wahl und Qualifikation des Sachverständigen oder die Möglichkeit milderer Eingriffe ins Persönlichkeitsrecht (zunächst nur  ein Aktengutachten), dies unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots. Bedeutsam für die Begründungsproblematik ist auch folgender, vorausgehender Satz: "Die Maßgeblichkeit der Rechtsschutzgarantie entfällt nicht allein deshalb, weil die Partei schon die Möglichkeit gehabt hat, sich zur Sache zu äußern..." Damit bestätigt die Kammer: Der Anhörungstermin v o r Erlaß des Beweisbeschlusses ist zwingend

Nachtrag zur Vorgeschichte: 
Das BVerfG hatte auf Antrag am 8.8.2005 (Az. 1 BvR 1542/05, wohl unveröffentlicht) in einer einstweiligen Anordnung die Vollziehung des Beweisbeschlusses (AG Viersen) befristet ausgesetzt. Dem Beschwerdeführer (Bf.) drohte die Vollziehung, also Zwangsgeld oder unmittelbarer Zwang, nach § 33 FGG (es handelte sich um eine isoliertes Umgangsverfahren, also um eine FGG-Sache). Der Bf. hatte außer der Gehörsverletzung auch die Verletzung des "Begründungszwangs" gerügt. Auch zur Frage der fehlenden Begründung äußerte sich die Kammer. und zwar wie folgt: 
"Insoweit ist nicht auszuschließen, daß der angegriffene Beschluss des Amtsgerichts den Beschwerdeführer in seinem Recht auf eine willkürfreie Entscheidung verletzt (Art. 3 Abs.1 GG). Danach ist eine Begründung stets dann rechtsstaatlich geboten, wenn staatlicherseits in Rechte eines Beteiligten eingegriffen wird. Denn nur dann kann dieser seine Rechte sachgemäß verteidigen (vgl. BVerfGE 6,  32  (44); 40, 276 (286); stRspr)."
Abschließend kommt die Kammer noch einmal auf den Begründungsmangel wie folgt zurück:
"Das Gericht ist aber nicht gehindert ... erneut einen (diesmal begründeten) Beweisbeschluß zu erlassen und auf diese Weise seine Zweifel auszuräumen oder zu bestätigen."

Anmerkung zur EA vom 8.8.2005:
Es handelte sich um Vollziehung mit Gewaltandrohung in einem  FGG-Verfahren. Damit stellt sich die Frage nach der analogen Übertragung auf das ZPO-Verfahren. Diese ist positiv zu beantworten, da zum einen bereits mit dem Beweisbeschluss eine Aussetzung des Verfahrens einhergeht, zum anderen die Verweigerung einer psychiatrischen Untersuchung praktisch zum Verlust des Justizgewährungsanspruchs führt (nach hM bedeutet die non-liquet-Situation Prozeßunfähigkeit, in der Gerichtspraxis ist die Exploration der Persönlichkeit des Betroffenen also eine conditio sine qua non).   

Anmerkung zum Beschluß vom 29.11.2005: 
Es fragt sich, was die Kammer hier unter "Sache" verstand. Es könnte gemeint sein: 
1. der (hier unbegründete) Beweisbeschluss; 2. die Gründe. 

Wenn es um "Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung" geht, dann ergibt sich daraus, daß das Gericht gehalten ist, in der persönlichen Anhörung zunächst die Gründe für seine Zweifel an der Prozeßfähigkeit der betreffenden Partei darzulegen, denn diese sind Voraussetzung für "Äußerung und Berüchsichtigung". 

Gibt es in diesem Zusammenhang einen Anspruch auf ein "Rechtsgespräch"
Da es nach BGH-Rechtsprechung geboten ist, vor Erlaß eines Beweisbeschlusses die betroffenen Partei persönlich anzuhören, impliziert dies zweierlei: 1. das Gericht soll sich einen persönlichen Eindruck von der Partei verschaffen, 2. die Partei soll die Möglichkeit zum Rechtsgespräch im Sinne des sog. "rechtlichen Gehörs" erhalten. 

Unklar indes bleiben die Begriffe "Anhörung" und "Rechtsgespräch". 
Ulrici diskutiert im MüKo zur ZPO, Bd. 4, 2010, den Normzweck des § 34 FamFG (Persönliche Anhörung) dahingehend, daß es zunächst um die Gewährung rechtlichen Gehörs gehe, nachrangiger Zweck sei die Sachaufklärung. Selbst wenn diese Reihenfolge vorliegend in Zweifel gezogen werden könnte, so gilt doch: Rechtliches Gehör impliziert die Möglichkeit, sich zu einer rechtlichen und tatsächlichen Frage auch zu äußern. "Dies umfaßt zunächst ein Recht der Beteiligten, von  ... allen entscheidungserheblichen Grundlagen Kenntnis zu erlangen" (Ulrici, op.cit.), hier: die Darlegung der Gründe richterlicher "Zweifel". Im Klartext: nicht nur zuhören müssen, sondern auch reden - im Sinne von Stellung nehmen (Ortloff, NVerwZ 1995, 29) - dürfen!  

Der Begriff "Rechtsgespräch" führte Adolf Arndt (NJW 1959, 8) ein, wurde 1979 von Hensen weitergeführt (Hensen, Zum Rechtsgespräch im Zivilprozeß. FS Walter Reimers, 1979, 167-177), wurde von Zuck (AnwBl 12/2006, S.11 ff) unterstützt und war u.a.auch Gegenstand der Kölner Dissertation von Hans-Willi Laumen (Das Rechtsgespräch im Zivilprozeß, 1984). Später schlug Baumann vor, den Begriff in § 265 StPO einzuführen (NStZ 1987, 157-162). 
In einer zivilprozessualen Verhandlung liegt es Richtern aber eher fern, ein "Gespräch" mit den Parteien zu führen. Deshalb wird der Begriff auch zumeist in Anführungsstriche gesetzt. Man kann somit davon ausgehen, daß ein Rechtsgespräch mehr ist als eine Anhörung, wenngleich diese der Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art.103 GG) dienen soll. Gemeinhin beinhaltet der Art. 103 GG lediglich ein "Recht auf  auf Information, Äußerung und Berücksichtigung". Zur Frage des Anspruchs auf ein Rechtsgespräch siehe auch unter Verhalten gegenüber Gericht.

Bei der aus verfassungsrechtlichem Grunde (niemand darf bloßes Objekt sein) zwingend durchzuführende persönliche Anhörung des Betroffenen tritt der Richter nun aber aus der Rolle des unbeteiligten Dritten heraus und rückt (auch) in die Stellung des Gegners einer mit Zweifeln überzogenen Partei. Die Frage, inwieweit der Richter in dieser Lage interessengeleitet handelt und entscheidet, ist berechtigt, da bei der Prüfung der Prozeßfähigkeit  jedenfalls das persönliche Interesse des Richters nicht ausgeschlossen werden kann. Andererseits gilt im vorliegenden Kontext: Solange die Prozeßunfähigkeit einer Partei noch nicht festgestellt ist, gilt sie als prozeß- und damit verhandlungsfähig. Ergo ist die Partei auch fähig und berechtigt, ein Rechtsgespräch zu führen, denn nur dann wird ihm persönlich das rechtliches Gehör gewährt, dies umso mehr, als die Tatsachengrundlage für die "Zweifel" -  jedenfalls auch - in der Person der betreffenden Partei liegt und der Richter gehalten ist, alle verfügbaren Erkenntnisquellen auszuschöpfen.  
Verfassungsrechtlich ableitbar ist folgendes: Jedem Beweisbeschluß, der eine psychiatrische Begutachtung zur Aufklärung von Zweifeln an der Prozeßfähigkeit einer Partei anordnet, hat eine persönliche Anhörung vorauszugehen, in der das Gericht zunächst seine Zweifel dartut und v. a. zu begründen hat. Allerdings gilt hierbei folgendes: In offensichtlichen, auch für den psychiatrischen Laien klar erkennbaren Fällen kann das Gericht auf die Beweiserhebung durch einen psychiatrischen Gutachter gänzlich verzichten und die Partei - freilich nach Anhörung derselben - aus eigener Erkenntnis für prozeßunfähig erklären. 

Der Anhörungspflicht entsprechend, hat das Gericht den Beteiligten rechtzeitig über seine Absicht, ihn anzuhören, zu unterrichten und ihm zur Vorbereitung angemessene Zeit zu gewähren. Die einzig geeignete Form einer verfassungskonformen persönlichen Anhörung zur Frage der Prozeßfähigkeit ist die Anberaumung eines speziellen Erörterungstermins. Diese Modalitäten sollten allerdings verfahrensrechtlich normiert werden, um den derzeitigen Wildwuchs zu beenden.



V.  BGH - Beschluß vom 28.05.2009, Az. I ZB 93/08
Im Anschluß an den Kammerbeschluß des BVerfG (siehe II.) erkennt auch der BGH auf eine Gehörsverletzung, wenn ein Gericht einen Beweisbeschluß zwecks SV-Begutachtung des Geisteszustandes erläßt, ohne den Betroffenen "zu dieser Frage" (Leitsatz) persönlich angehört zu haben. 

Anmerkung: 
Unklar bleibt, was der BGH unter "dieser" versteht. Hat er nur die Frage der Prozeßfähigkeit gemeint, hätte er das Wesentlichste ausgeklammert: den schweren Eingriff in die Menschenwürde, auf den der Beweisbeschluß zielt. (Jede unfreiwillige psychiatrische "Exploration" bringt eine massive Persönlichkeitsverletzung mit sich, so daß die Grundrechtsrelelvanz auf der Hand liegt.)

Unklar bleibt auch, inwieweit das Gericht seine Zweifel konkretisieren muß und wie die Anhörung auszusehen hat, um seinem "Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung" zu entsprechen.

Daß es überhaupt zu diesen und weiteren Urteilen kommen mußte, zeigt erneut, daß Richter sehr leichtfertig unliebsame Parteien, in aller Regel die Kläger, psychiatrisieren. 

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